AndersArtig-Blog
Flo schreibt schon seit ein paar Jahren. Dies und das, aus seiner Zeit als pädagogische Fachkraft, über Schule, (Nicht)Erziehung, Partnerschaft, über sich und sein Heilen von der alten Autorität. Manchmal auch über das Mann und Vater sein, in einer Welt, die dringend präsente Väter braucht, aber selten auf gelungen Rollenvorbilder zurückgreifen kann. Bis jetzt nur auf Facebook, gibt es die Texte nun auch hier! :-)
11/26/2022
Kostehappen = Kotzehappen*?!
Stichwort Mensa (oder auch zu Hause…)
Ein weiteres heißes Eisen in vielen Betreuungseinrichtungen an Grundschulen ist die Essenssituation. Es herrscht nicht selten ein Ton, der jede Kaserne freundlich glänzen lässt, und das “Konzept” für die Mensa sieht folgende Punkte vor:
Feste Sitzzeit, Esszwang, Sanktionieren mit Essen (wenn du nicht xy, dann kein Essen/Nachtisch!)
Dass auch hier die Menschenkinderrechte oft genug missachtet werden, es muss gesagt werden, es ist ein versteckter Raum, manchmal fast ein Tabu. In den Kindern ist es jedoch nicht selten ein großer wunder Punkt des Tages. Was in vielen Mensen abläuft, widerspricht in aller Regel nicht nur jeder wissenschaftlichen Erkenntnis aller erdenklichen Fachbereiche, es ist auch verletzend.
Auch hier wird nach Gutdünken gemaßregelt, alte Ängste und Erziehungsmuster werden aktiv und auf die Kinder projeziert. Kinder werden grob angefasst, geschoben, gezerrt. Was viele Erwachsene erlebt haben müssen, sehen wir auch beim Essen. (Ich fand es oft viel spannender, meine KollegInnen zu beobachten als die Kinder) Aber ich werde auch hier nicht müde zu sagen, dass auch wir KollegInnen im Offenen Ganztag einen klaren Auftrag haben, uns zu reflektieren und die Rechte der Kinder zu wahren.
Unbekannter Ort… fremde dominante Gerüche… Angst und Unsicherheit… Übelkeit… Strenge Blicke… Zeitdruck… Essenszwang… Appetitlosigkeit… Und hier soll ich essen?
Wo bleibt hier die Fähigkeit zum Perspektivwechsel der Erwachsenen? Ja, sie ist verschütt. Dann lass uns mal den ganzen alten Kram darüber wegschaufeln und trau dich heute mal mit einem offenem Herzen hinzuschauen.
Und ich möchte noch was sagen: Eine wertschätzende Atmosphäre schaffen wir durch Worte und Präsenz. Nicht mit Geld und nicht mit Material. Versteckt euch nicht hinter einem vermeintlichen Mangel an (personellen) Ressourcen. “Ja, ja, aber….!” Ich verstehe. Und im KiTa-Bereich kann ich das noch nachvollziehen, spätestens ab der Grundschule jedoch nicht mehr. Wie ist es bei euch? Traut ihr euch, die Kinder zu lassen? Traut ihr euch, für sie einzustehen, wenn ihr erlebt, dass in diesem sensiblen und intimen Bereich der Kinder Gewalt passiert? Oder habt ihr selbst Schwierigkeiten, eure Projektionen bei euch zu behalten?
Das Thema Essen ist ein fundamentales Thema. Ich möchte hier jedoch nicht über die Qualität und Wichtigkeit von “gutem Essen” diskutieren. Jede Qualität des Lebensmittels geht verloren unter Gewalt.
Trau dich, bitte!
AndersArtig-Flo
(*Liebe Gerlinde Lill, wir kennen uns nicht persönlich, aber ich möchte schon lange für diese treffende Wortschöpfung danken! (Siehe auch Gerlinde Lill, “Begfriffe versenken: Sinn und Unsinn pädagogischer Gewohnheitswörter”)
Admin - 21:46:49 | Kommentar hinzufügen