AndersArtig-Blog

12/01/2022

Wir dürfen traurig sein - Der rote Ballon ❣️

Logbucheintrag 01.12.2021

- Der rote Ballon -

Atmen… Pause von einem Dauerlauf der besonderen Art. Nicht lang, einmal sitzen bloß und Gedankenworte finden…

Was können wir jemandem schenken, der weiß, dass es sein letzter Geburtstag sein wird? Jemandem, der alles hat, der alles gesehen, alles gegeben, alles gefühlt und alles gelebt hat? Die Gesundheit, die sich dieser jemand gerade nur noch wünscht, liegt jenseits dessen, was ich für alles Geld der Welt kaufen kann. Auch wenn ich es tun würde, auf der Stelle! Also, was dann? Einen kleinen Rumpelstilzchentanz - (”Sowas kannst du?”Ja, wenn ich zu meiner Mama will!) - haben wir aufgeführt, dass dich nicht nur ein einziger Mensch ein einziges mal besuchen darf, an einem Tag, der, so besonders besonders, eines von einigen kommenden letzten Malen sein wird. Und den du eben auch noch in einem Haus für kranke Menschen verbringen musst. Mit strengen Regeln für Besucher! Aber in diesen Regeln steht auch etwas von Ausnahmen, und die wollen wir doch erstmal austanzen. Und in diesen Regeln steht auch nichts davon, dass dein Bett nicht ein wenig schöner sein darf. Also sind der rote Herzballon und ein Stern aus schlichtem Holz, der mit unscheinbarer Batterie mildwarm leuchten kann, kleine Freuden, die zu großen werden, als du später erzählst, wie sehr sich alle für dich und über dich und über diese kleinen Dinge freuen. Noch nie gab es so viele Glückwünsche! Mitsamt Bett auf üblicher Kliniktour, war deines ein kleiner Hingucker. (Könnten diese ganzen Krankenhaussachen nicht überhaupt ein bisschen schöner sein?! Gehäkelte Überzieher für diese ganzen baumelnden Flaschen und Ampullen… Etwas meinetwegen steril abwaschbares Grün am Bett? Lämpchen in pastell statt epelepsiegrün oder gelb? Wenn Corona vorbei ist, wünsche ich mir Horden von Kobolden, die es für alle ein bisschen schöner dort machen! Und die an die Beschäftigten dort Gutscheine für ein paar Wellnesswochen, Gold und sonstige Wertschätzungen verteilen!)

Oben dran, da, wo diese Haken über deinem Bett sind, hängen Herzballon und Leuchtestern. Er glimmt auch Nachts, ganz leicht, und zwischen dem üblichen, krankenhauseigenen Diskolicht aus Notleuchten und anderen Blink - Leucht und Piepedingern, ist das dein kleiner Nordstern. Du schaust darauf, deine Augen können rasten. Und du freust dich darüber, und darüber, dass du dich freuen kannst. (Was für eine Fähigkeit, was für ein Geschenk! Dass ich das auch ein Stück von dir haben darf, dafür danke ich dir von Herzen! )

Wir schlucken, staunen, verdrängen für einen Moment das, was andere als die harte Realität bezeichnen, der wir immer ins Gesicht sehen müssten. Eine rasante Realität, mitreißend, mittlerweile oft genug quälend schmerzhaft, beängstigend, der du ohnehin so ausgeliefert bist. Und dann musst du vielleicht auch mal für einen Moment nichts mehr. Ganz einfach. Du darfst dich freuen, über alles, zu jeder Zeit. Auch so geht Würde, du zeigst es allen. Vielleicht das einzige Geschenk, das wir manchmal brauchen.

❣️🎈

PS: Flos Mama hat kein Internet und so. Aber sie freut sich jedes Mal, wenn er ihr ein bisschen zeigt, was hier so passiert. Und er darf hier schreiben, was er dazu fühlt und denkt. Danke!!

(Und kaum habe ich diesen Text geschrieben, ändern sich die Vorzeichen wieder. Krebs ist ein gemeines Ars***@#&. Und ich wünsche allen, die damit kämpfen, und sei es als Begleitperson, oder als Begleitperson einer Begleitperson oder oder oder… einfach viel Kraft! Und trotzdem manchmal kleine Freuden. Schwere Krankheiten bringen ganze Systeme in Schwingung. Achtet auf euch! ❤️)