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für lösungsorientierte Arbeit mit Kindern, Jugendlichen & Erwachsenen

AndersArtig-Blog

Flo schreibt schon seit ein paar Jahren. Dies und das, aus seiner Zeit als pädagogische Fachkraft, über Schule, (Nicht)Erziehung, Partnerschaft, über sich und sein Heilen von der alten Autorität. Manchmal auch über das Mann und Vater sein, in einer Welt, die dringend präsente Väter braucht, aber selten auf gelungen Rollenvorbilder zurückgreifen kann. Bis jetzt nur auf Facebook, gibt es die Texte nun auch hier! :-)


01/11/2023

Nachtrag zur Pünktlichkeit

Ein kleiner Nachtrag zur Pünktlichkeit… 

Nein, ich schätze es auch nicht immer, sitzengelassen zu werden, oder “immer” warten zu müssen (wobei auch da die Frage wäre, ob ich wirklich müsste, und immer und überhaupt. Und tatsächlich warte ich sehr selten. Also, dass ich das Gefühl habe, auf jemanden zu warten, habe ich selten). 

Ich glaube aber auch, wenn ich meine eigene Haltung hier ernst nehme, dann wird jeder jederzeit einen guten Grund haben. Wenn ich der Haltung weiter folge, tut auch niemand soetwas “gegen mich”. Und wenn ich Geringschätzung spüre, dann wahrscheinlich auch durch andere Dinge, als dass jemand immer zu spät zu einer Verabredung kommt. Vielleicht warte ich dann auch gar nicht viel öfter, oder es macht mir nichts.

Wie gesagt, ich verstehe den Sinn hinter zeitlichen Vereinbarungen. Die Kontexte sind vielleicht manchmal auch verschieden und erfordern auch ein anderes Maß an Pünktlichkeit. Bei mir persönlich hat tatsächlich nie die Verknüpfung von Wertschätzung und Pünktlichkeit stattgefunden. Es macht mir überhaupt nichts aus, wenn jemand zu spät kommt (in meinem persönlichen Leben sind das alles Zeitgeschenke) und ich möchte eigentlich nicht, dass sich jemand wegen ein paar Minuten stresst, oder überhaupt. Umgekehrt verspüre ich das sehr wohl, es ist voll in mir eingebaut, dass sich jemand nicht wertgeschätzt fühlen könnte, wenn ich mich auch nur eine Minute verspäte. Ich denke auch, ich drücke ihnen dadurch meine Wertschätzung aus. Manchmal weiß ich aber, dass das nicht wirklich so ist. Dann übernimmt eigentlich “nur” meine eigene Angst, jetzt gleich Schimpfe von der Leitung oder schiefe Blicke der Kollegen zu kassieren. Und dafür schimpfe und dränge ich meine Kinder… Das ist auch Adultismus, denn mit denen geht es sehr leicht, fünf mal in einer Minute aufzufordern, oder zu drängeln, oder richtig echt körperlich zu zerren.

Als junger Vater habe ich mich übrigens oft genug nicht in meinen guten Gründen gesehen gefühlt, mich zu verspäten. Trennung vom Kind, kleinere Übergänge, das große Geschäft des kleinen Nachwuchses, das gerade im richtigen Moment kommt (und sogleich am Rücken rausquillt… 😑)… Spontane Krisen, wie sie bei kleinen Menschen einfach dazu gehören, letzte Entscheidungen, die plötzlich lebenswichtig sind, krank… Den Fokus dabei auf das einzelne, individuelle Bedürfnis eines einzelnen Fremden (i. E. Leitung, Kollege, Freunde etc), sich durch Pünktlichkeit gewertschätzt zu fühlen… Das kann ich manchmal ja, aber manchmal auch nicht nachfühlen (ja, auch wenn ich den starken Drang verspüre, auf keinen Fall zu spät kommen zu dürfen und dem Bedürfnis des anderen nachkommen will, Angst vor Reaktionen haben…). Auch wenn ich absolut verstehe, was auch da dahinterstecken kann. Ich denke bei all dem oben auch weniger an totalen Zeitverlust, Verlässlichkeit ist auch mir wichtig. Mir geht es um den regelrechten Terror, die teils panischen Handlungen im Zusammenleben mit Kindern, die heftigen Übertragungen, um den echten Leidensdruck, der oft genug entsteht. Ich tue es selbst und möchte es nicht mehr so. Scham ist vielleicht auch hier wieder ein Schlüssel.

Was Erwachsene einvernehmlich unter sich machen, wenn sie die entsprechenden Ressourcen haben, kann mir egal sein. Für Menschen mit Kindern und anderer direkter Menschenverantwortung, wünsche ich mir eine Gleitzeitflatrate. 🙂 Und wundervolle Kolleg:innen, die großartige Arbeit leisten, aber chronisch zu spät kommen müssen (sic! #Neurodiversität), würde ich jederzeit unterstützen.

AndersArtig-Flo 

Admin - 23:07:46 | Kommentar hinzufügen

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