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für lösungsorientierte Arbeit mit Kindern, Jugendlichen & Erwachsenen

AndersArtig-Blog

Flo schreibt schon seit ein paar Jahren. Dies und das, aus seiner Zeit als pädagogische Fachkraft, über Schule, (Nicht)Erziehung, Partnerschaft, über sich und sein Heilen von der alten Autorität. Manchmal auch über das Mann und Vater sein, in einer Welt, die dringend präsente Väter braucht, aber selten auf gelungen Rollenvorbilder zurückgreifen kann. Bis jetzt nur auf Facebook, gibt es die Texte nun auch hier! :-)


02/01/2023

Von der Zwangsehe zwischen Schule & Familie

Noch vor Corona habe ich diesen Text unten geschrieben. Außer kürzlichen Unverschämtheiten der Kultusministerkonferenz gegenüber ihren Arbeitnehmer:innen (aka Lehrer:innen), hat sich nicht sehr viel getan und er scheint aktueller denn je. Unter zilliarden von Artikeln in den Medien, in denen sich Eltern und Schule zeigen dürfen, gibt es vielleicht ein paar, die darÜBER schreiben, dass Kinder jetzt die “Verlierer”(sic!) der Nation sind. Mal abgesehen, dass ich grad als Kind dann schon keine Lust mehr hätte vielleicht, überhaupt noch einen Finger für die Erwachsenen krumm zu machen… Kaum ein Wort finde ich VON Kindern. Haben wir Angst, dass es vielleicht gar nicht so wenigen Kindern manchmal doch gar nicht sooo schlecht geht ohne Schule? Oder dass wir erkennen müssten, dass wir jetzt dran sind, Stellung zu beziehen?
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Im ewigen Konflikt der Zwangsehe von Schule und Familie, der zur Zeit derart außer Kontrolle zu geraten scheint, dass alle Systeme grundsätzlich in Frage gestellt werden, ist es wichtig Position zu beziehen. Was Kinder im Moment am wenigsten gebrauchen können, sind Fähnchen im Wind auf höchstem Niveau. Woran sollen sie sich orientieren? Woran wir untereinander? Heute reden sie so und morgen machen sie so! Was können Fachkräfte und Eltern tun? Wenn Kinder aus der Schule berichten, dass etwas im Argen liegt, können Eltern vielleicht versuchen, ihre Gedanken zu differenzieren. Vorsichtig und offen nachfragen, die Rolle des Lehrers aus Kindersicht ein wenig abklopfen. Mit Zuschreibungen zurückhaltend sein. Grundsätzlich und vorbehaltlos bei Kindern für Empathie zu werben und fragwürdige Handlungen der Lehrer unter dem Deckmantel des “gemeinsamen Stranges” so zu vermitteln, dass sie ja als letztes Mittel dann doch okay sind, halte ich allerdings für brandgefährlich. Spätestens nach dem zweiten Mal erzählen Kinder nichts mehr und jeder von uns kennt die Standardantwort, wie es in der Schule war. “Alles gut. Nichts besonderes!” Ist das nicht traurig, wenn wir eigentlich wissen, dass es nicht so ist? Denn das ist es, was sie am Ende vermittelt bekommen: irgendwie fühlt sich so vieles ziemlich beschissen an, man hat auch als Kind eigentlich eine klare Vision vom positiven Gegenteil und dann sind da die Erwachsenensysteme, die die Kinder und Jugendlichen in ihrem Gefühl einfach nicht bestätigen und abholen können.

Wenn Schule für sich Wirkmacht und Hoheit deklariert, muss sie ihrer zwischenmenschlichen Dimension endlich auch gerecht werden. Und das darf niemals eine Frage des Geldes sein, es ist eine Frage der Haltung. (Allerdings…. anscheinend gibt es nicht wenige Erwachsene, die auch hier den Faktor Geld betonen, zum Beispiel mit folgender Logik: Fortbildungen für Fachkräfte kosten Geld und ohne das gibt es keine Haltungsänderung. Aber worum ginge es dabei lediglich? Um Herzensbildung. Das ist das, was für uns alle erkennbar den Unterschied ausmacht.) Wahnsinn, dass auch das den Kindern als eine Frage des Geldes verkauft wird. Lasst uns das bitte nicht tun.

Aber was können wir tun? Vielleicht können wir auch unseren Kindern gegenüber endlich zugeben, dass wir begriffen haben. Dass wir auch nicht zufrieden sind. Dass sie verdammt Recht haben mit ihren Sorgen und Ängsten. Und dass wir bereit sind, mit unseren Erwachsenenressourcen endlich für eine Verbesserung einzustehen, zugunsten derer, um die es geht. Nicht um Lehrerpersönlichkeiten, die ihren Selbstwert über Macht sanieren und nicht um Eltern, die ihre Kinder zu ihrem persönlichen Lebenswerk erklären, in dem sie sich verwirklichen. Und wo fangen wir an?  Hier möchte ich klar Position beziehen und sage: wer das Hausrecht beansprucht, ist auch für die Qualität des Miteinanders in diesem Haus verantwortlich. Hier wie dort. Und diejenigen haben dafür Sorge zu tragen, dass das Kerngut, der Schatz, um den es geht, um die Zukunft der Kinder, nicht aus den Augen verloren wird.

In dem Zusammenhang erinnere ich mich gerne an folgende Geschichte: im Vorfeld einer ganztätigen Gesamtkonferenz einer Einrichtung, fragte mich einmal ein kleines Mädchen, warum sie an diesem und jenem Tag eigentlich frei hätten. Ich habe ihr gesagt, wir hätten eine Fortbildung. Auf die Frage, was das ist und was wir da machen, veruschte ich ihr händeringend zu erklären, dass wir Erwachsenen uns immer mal zusammensetzen, um zu besprechen und zu überlegen und so. Darüber, wie Schule und so gut klappen kann, was Kinder vielleicht gut gebrauchen können, damit sie sich in der Schule wohl fühlen und so. Ihr Blick war skeptischfragendwissend. Ich weiß noch, wie merkwürdig ich mich dabei gefühlt habe. Diese schlauen Strahleaugen schauen mich heute noch an, wenn ich dabei an ihre Frage denken muss:

“Ja, und warum fragt ihr nicht einfach uns?” (Und ihr Blick sagte, ich weiß genau, dass ihr das nicht tut….)

Meine persönliche und aufrichtige Antwort: ein Lächeln, was diese schlaue Erkenntnis wertschätzt und das Zugeständnis, dass sie vollkommen recht hat mit ihrer Frage. Ich vermute oft ein komisches “Erwachsenending”, sage, dass wir alle gerade ein bisschen etwas lernen müssen und manchmal genau wie jeder andere, etwas Unsicher sein können. Aber dass genau das unser Auftrag sein sollte. Die Kinder fragen. Was brauchst du heute, um dich wohlzufühlen und gut lernen zu können? Das ist eine ganz wunderbare Frage!

Diese vielen Stunden, in denen die Erwachsenen ihre Köpfe zusammenstecken, um ÜBer Kinder zu reden, statt MIT ihnen… sooo viel Zeit (und Geld?)!

Ich möchte übrigens nicht verschweigen, dass ich ein Feigling war und kein Stück besser als alle anderen. Ich habe mich damals nicht getraut, diese Frage ins Plenum zu geben. Ich habe mich nicht getraut! So wie ich mich auch heute vieles noch nicht traue. Aber ich möchte das gerne nachholen: Also…..

Warum fragen wir nicht die Kinder?

Haben wir Angst, dass wir den Kindern nicht geben könnten, was sie brauchen? Falls ja, sollten wir endlich darüber reden, bis wir diese Angst überwunden haben und unseren Kindern endlich zuhören können. ❤️

AndersArtig-Flo 

Admin - 20:04:04 @ Allgemein | Kommentar hinzufügen