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AndersArtig-Blog

Flo schreibt schon seit ein paar Jahren. Dies und das, aus seiner Zeit als pädagogische Fachkraft, über Schule, (Nicht)Erziehung, Partnerschaft, über sich und sein Heilen von der alten Autorität. Manchmal auch über das Mann und Vater sein, in einer Welt, die dringend präsente Väter braucht, aber selten auf gelungen Rollenvorbilder zurückgreifen kann. Bis jetzt nur auf Facebook, gibt es die Texte nun auch hier! :-)


05/14/2023

Zum Muttertag

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Muttertag…

Ich kann nicht darum herumkommen, anzuerkennen, dass es nach allem, was ich rechts und links auf die Waage packen kann, auch heute noch so verdammt viel “leichter”, oder einfacher ist, ein Vater, als eine Mutter zu sein. Ja. Nein, ich weiß, auch Männer…! Auch Väter…! Ja, aber nein. Als einer von drei Jungs, deren Ma größtenteils, und vor allem in unseren schwierigsten Jahren alleinerziehend mit uns war, bleibt mir nichts anderes übrig, als das anzuerkennen. Leichter, weil wir in Strukturen leben, die Frauen auf der ganzen Welt (ja, auch hier im ach so fortschrittlichen Deutschland) weiterhin mindestens strukturell diskriminieren. Und in den Köpfen so vieler Männer, die nach wie vor glauben, dass eine (zum Teil auch noch phantasierte) rein körperliche Überlegenheit in unserer technologischen und körperlosen Welt, noch irgendwas wäre, von dem wir uns was kaufen könnten, tut sich auch heute noch fast nichts. (Btw. bin ich jetzt gerade ein Mann, dem genug Frauen auf der Welt auch körperlich und lebenskraftmäßig drei mal überlegen wären.)

Was meiner Mutter von der Gesellschaft auferlegt wurde an Rollenbildern und Erwartungen, zum einen uns Kindern zu genügen, und natürlich das Leben an sich irgendwie gewuppt zu bekommen, aber auch eine “Frau” zu sein, aber auch und vor allem damit zurecht zu kommen, dass ihr Leben immer wieder von himmelschreiend dummen Männern (Vätern) hier wie da bestimmt wurde… Von einer Politik, von Männern (Vätern!) gemacht, die mich schon als älteres Kind wütend gemacht haben. Von Männern heute, die immer noch von ihren “Alten” sprechen, wenn sie von ihren Partnerinnen oder Frauen im allgemeinen sprechen, oder vom “Mäuschen”, das irgendwie natürlich auch schlau sein und wählen darf, aber natürlich beides nicht ganz so viel ist und sein soll, wie der Mann. Oder wenn, dann ist es viel zu viel, unaushaltbar zu viel, weil dann will sie reden, oder ist zu laut, oder zu emotional, oder zu viel dies oder das und das nervt. Oh mann… Ne… Jungs, Daddys, wisst ihr, was nervt? Euer scheiß Sexismus, eure merkwürdigen Überlegenheitsphantasien. Das schwache Geschlecht… dass ich nicht lache… Wie kann ich das irgnorieren?

Dass mein Vater damals ging, tat mir weh und es hat etwas mit mir gemacht. Wie das, was er tat, als er noch nicht gegangen war. Und dennoch schien es das normalste der Welt, schon x Millionen Mal passiert, vollkommen selbstverständlich. Was es mit meiner Mutter gemacht hat, hat nicht wirklich jemand gefragt. Und dass meine Mutter dann, weiterhin voll berufstätig, aber dann auch für drei Schulkinder, oder kranke Kinder, oder Kinder, die Probleme haben und machen und sind, vollkommen selbstverständlich allein zuständig ist, mental - und workload und Perspektivensorgen und alles andere irgendwie allein tragen sollte, war genau so selbstverständlich. Vollkommen selbstverständlich auch, dass meine Mutter auf meinen Schulerlternabenden noch zusätzlich schief angeschaut wurde, schlecht angeschaut wurde, nicht wohlwollend angeschaut wurde, weil ihr einer Sohn schon raucht! Und überhaupt sowieso kein guter Umgang ist! Und jetzt das zweite mal sitzen bleibt! Und das alles ja kein Wunder ist, weil alleinerziehend. Und das kommt ja auch nicht von ungefähr. Ja, ne.

Keiner hat aber gesagt, dass mein Vater sich aus dem Leben seiner Kinder herauszuhalten hatte. Es hat auch keiner gefragt, wo er denn bliebe. Drei Kinder, x Jahre und Gespräche, keines davon, dass mein Vater begleitet hätte. Keine nächtlichen Liebeskummernotfalleinsätze. Keine morgendlichen Kämpfe, keine existenziellen Konflikte mal eben so nebenbei. (”Ich könnte ihn (*mich) gerade nicht bei mir haben.”) Und eine Gesellschaft, die vollkommen damit einverstanden ist, dass es alles so ist.

Nein, ganz allein war meine Mutter nicht. Wir sind viel hier oder dort gewesen, es brauchte viel Dorf. Aber auch dieses Dorf bestand fast ausschließlich aus Frauen. Aus kraftvollen, starken Frauen und Müttern und Tanten und und und…

Ja, nein, es heißt nicht, dass es nicht auch “schwer” sein kann, ein Vater zu sein, dass Männer es nicht auch schwer haben können und dass es nicht auch Mütter gibt, die gehen und nicht “gut” für ihre Kinder sind, ja ja ja… Aber weißt du was? In acht Jahren Selbstständigkeit gab es exakt zwei Kontakte von Männern, und einer davon nicht mal ein Papa. In Worten: zwei. Von meinen Erfahrungen als Fachkraft an einer Schule ganz zu schweigen. Papas waren höchstens mal da, um dem mal Nachdruck zu verleihen, was die Mama ja nicht schafft. Noch Fragen? (Ja, Mann, tausend, ich weiß. Aber du weißt auch, oder?)

Den Nazi-Muttertag braucht keiner. Und auch nicht den, der Werbeindustrie und nicht den von Fleurop. (Von Nachbarn zusammengeklau(b)te Blumensträuße… Ok ) Die absurden Familienbilder und Ansprüche, denen meine Mutter genügen sollte, machen es selbst mir noch schwer heute, weil auch ich sie teilweise verinnerlicht habe. Wie ging es dann ihr damals, wie muss(!) es ihr gegangen sein? Ich weiß es, ich habe sie gefragt. Und ich hätte dem damals nie genügt, und habe es heute nicht, und niemals war ich der Rabenvater, und niemals hätte man anderes von mir erwartet. Aber die Welt braucht dringend, dass Mütter mindestens so oft Muttertag feiern, wie Männer ihren Vatertag (Im Grunde jedes Wochenende mitte Kumpels im Stadion, oder wöchentlich im Proberaum oder wo auch immer.) Gebt es euch, mit Bollerwagen und allem, und dann können die Jungs halt mal mit Schädel die Frühschicht übernehmen. Und dann den Elternabend, und den Arztbesuch, und die Freundeverabredung, und den Wutanfall, und das tiefe Tal, und die Wachstumsschmerzen und und und… Ist doch normal, oder? Ja, ich weiß, es werden mehr, vielleicht ein paar, vielleicht hier, aber so insgesamt ist vollkommen klar, was normal ist und was nicht. Und das kann sich doch nicht seit hundert Jahren nicht geändert haben?! Was machen wir mit all unserer Zeit und ach so herrlichen Kraft? Die Welt heldenhaft vor die Wand fahren? Kriege führen? Das braucht es nicht mehr. Schon für unsere Kinder. Und ich selbst habe auch keinen Bock mehr auf Patriarchat. Aber dafür braucht es vielleicht ein bisschen mehr uns. Und wenn wir nur wirklich endlich und täglich wertschätzen und anerkennen, was ist. Von mir aus lieber jeden Tag Muttertag.

An alle, die es gerade irgendwie schaffen. Mamas und überhaupt alle Frauen, die es auf andere Weise leben und Mütter damit unterstützen… Danke!! Und dann noch dabei Kreise durchbrechen… Ihr rockt die Welten ❤️☀️

AndersArtig-Flo

Admin - 08:38:41 | 1 Kommentar